• Rolf Schmid «Echt jetzt?»
    DIES UND DAS VON HIER UND ANDERSWO

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Bună ziua!

Es ist, wie es ist.

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Am Ende der Strasse, mitten im glühenden Nichts Sardiniens taucht der Bauernhof auf. Verlassen in der Mittagshitze. Gleich dahinter versperrt ein massives Eisentor die Weiterfahrt zur Sehenswürdigkeit. Im Rückspiegel taucht er auf, ganz klein und wird schnell grösser, wie wenn er auf diesen Moment gewartet hätte. Dann ist er da, sein Einsatz. »Proprietà privata«, sagt er durchs heruntergelassene Seitenfenster und »cinque euro«, sagt er auch noch, wie er es schon so oft gesagt hat. Eine abgetragene schwarze Hose, die vielleicht mal zu einem Anzug gehört hat und ein zu kleines, zerschlissenes braunes Hemd aus der Kleidersammlung. Offiziell wirkt das nicht. Man sieht es auf den ersten Blick. Er weiss es selbst.Trotzdem bleibt er dabei, cinque euro, und zwar per ogniuno. Er rückt verlegen seine Mütze zurecht und wartet. Wie schon so oft, neben den grossen und kleinen Autos verirrter Touristinnen und Touristen. Na gut, soll er seinen Batzen haben. Vielleicht hat er nicht das Recht dazu. Aber er verdient keine 500 Euro im Monat, was ist da schon recht.

Eine Tankstelle in der Nähe von Brașov. Viorell wartet. Wartet schon den ganzen Vormittag. Dann, kurz vor zwölf kommt er doch noch, der Mann, der ihn herausbringt. Raus aus Rumänien. Zum Arbeiten nach Italien. Wie vor zwei Wochen besprochen und per Handschlag abgemacht. Mit dem Auto nach Brașov, mit dem Zug nach Genua, mit der Fähre nach Sardinien. Eine lange Reise für jemanden wie ihn. Aber immerhin Arbeit. Kost und Logis. Und etwas Geld.

Viorell steckt sich eine Zigarette an, öffnet das erste Gatter und winkt hinein. Geht vor dem Wagen her, öffnet auch das zweite Tor und winkt. Geschäftig und routiniert wie ein Museumswärter. Natürlich schliesst er wieder. Wegen der Schafe. Er ist allein auf dem Hof. Seine Frau ist in Brașov, der Padrino schaut bloss ein, zwei mal die Woche vorbei. Der ist schon recht. Hat ihn bei der Ankunft von der Fähre abgeholt und ihm zwei Bier spendiert. Hat ihm auch gesagt, dass er das mit dem Eintritt machen könne. Er wolle einfach keinen Ärger deswegen. Bekommt er auch nicht. Die Carabinieri schauen weg. Wissen ja auch, dass er gar nicht da ist, offiziell. Keine Papiere und nichts. Das würde nur kompliziert, wenn man da irgendeinem Wink oder einer Beanstandung nachgehen würde. Die Touristen sind schliesslich nach zwei Wochen wieder weg. Viorell bleibt. Und mit dem Padrino will man es sich schon gar nicht verderben.

Das megalithische Hünengrab mit der 27 Tonnen schweren Steinplatte sei aus dem 3. oder 2. Jahrtausend vor Christus. So stehts im Reiseführer. Viorell hat eine ganz andere Theorie. Mit der Hand wischt er etwas Sand beiseite und erklärt. Das gehört dazu. Ist dabei, bei den cinque euro. Ist aber schnell erledigt. Dann erzählt er von den Schafen, die sich verirren und vom Schwein, das er letzte Woche schlachten musste, von den drei tschechischen Touristinnen und allein reisenden Frauen. Und von seinen fünf Kindern. Es ist wie es ist.

Er steckt sich eine Zigarette an und schaut übers ausgedörrte Land. Jetzt muss er zu seiner Herde. Gute Reise, drum bun! Und nicht vergessen das Tor zu schliessen, wegen der Schafe. Wir gehen. Viorell bleibt. Im Rückspiegel wird er wieder kleiner und verschwindet schliesslich ganz. Einmal pro Jahr geht auch er für ein paar Wochen nach Hause. Bringt seinen Lohn heim. Und ein kleines, gerolltes Bündel fünf Euro Scheine.

©2024 Hardy Hemmi | mail@hardyhemmi.ch